Artikel gepostet am 25 März 2014 11:17 durch Arjen Westerdijk
Anfechtung von Bürgschaften durch Ehegatten
Heutzutage ist es nicht unüblich, dass Bank zwar Kredite an Gesellschaften vergeben, dafür aber (neben Pfandrechten und Hypotheken) auch eine Bürgschaft der natürlichen Person, die „hinter“ der Gesellschaft steht, verlangen.
Auch deutsche Banken geben Kredite an niederländische Gesellschaften. Dafür stehen dann oft die Privatpersonen hinter der Gesellschaft (Gründer, Geschäftsführer) als Bürge ein. Das niederländische Recht kennt aber eine besondere Bestimmung, die das deutsche Recht nicht kennt: Artikel 1:88 Burgerlijk Wetboek. Kurz gesagt kann ein Ehepartner eine Bürgschaft für z.B. eine Gesellschaft des anders Ehepartners anfechten, wenn er/sie keine Zustimmung erteilt hat. Diesbezüglich haben die niederländischen Gerichte schon viele Urteile erlassen. So auch vor Kurzem.
Eine deutsche Bank fordert die Verurteilung eines niederländischen Ehepaars zur Zahlung eines Betrags von € 123.597,35 als Hauptforderung aufgrund von zwei Bürgschaftsverträgen für Darlehen der Bank an eine B.V. (Gesellschaft, vergleichbar mit der deutschen GmbH). Zuerst muss das Gericht der Frage nachgehen, ob die Beurteilung nach deutschem oder niederländischem Recht zu erfolgen hat.
Die Parteien haben keine ausdrückliche Rechtswahl vorgenommen. Ebenso wenig haben sie eine implizite Rechtswahl gemäß Art. 3 Absatz 1 des Übereinkommens von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vorgenommen (Rom I). Der Umstand allein, dass der Vertrag in deutscher Sprache erstellt wurde und in diesem auf Bestimmungen aus dem deutschen Recht verwiesen wird, ist dafür unzureichend.
Die Bank führt an, dass in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Rechtwahl für deutsches Recht festgelegt ist. Allerdings nimmt das Gericht an, dass diese nicht wirksam vereinbart wurden. Daher wird dem Gericht zufolge die Frage, welches Recht anwendbar ist, anhand von Rome I beurteilt. Aus Artikel 4 Rom I ergibt sich, dass in dem Fall niederländisches Recht auf die Bürgschaftsverträge anwendbar ist. Das Gericht entscheidet, die Forderungen der Bank nach niederländischem Recht zu beurteilen.
Der Mann hat sich auf die fehlende Einwilligung seiner Ehefrau bezüglich des Abschlusses der Bürgschaften berufen. Die von ihm persönlich gewährten Bürgschaften wurden seiner Ansicht nach für nichtig erklärt, weil seine Ehefrau sich auf den Anfechtungsgrund aus Artikel 1:88 Absatz 1 lit. c BW berufen habe.
Das Gericht erwägt, dass Artikel 1:88 Absatz 1 lit. c BW bestimmt, soweit hier von Bedeutung, dass ein Ehepartner die Genehmigung des anderen Ehepartners bei Verträgen, die auf eine Bürgschaftsverpflichtung seinerseits abzielen, benötigt. Eine Einwilligung ist nicht erforderlich, wenn die in Absatz 1 lit. c genannte Handlung in der normalen Ausübung des Berufs oder Unternehmens oder (Absatz 4) (wenn sie von einem Geschäftsführer einer (in diesem Fall) B.V. verrichtet wird, der in dieser B.V. alleine oder mit anderen Mitgeschäftsführern die Mehrheit der Anteile besitzt) zu Gunsten der normalen Ausübung des Gewerbes dieser Gesellschaft verrichtet wird.
Unabhängig davon, ob das Abschließen von Darlehen, für die diese Bürgschaft gewährt wurde, in diesem Fall zur Ausführung der normalen Unternehmensführung des Unternehmens des Mannes gehörte, so besitzt die fragliche Anfechtung der Bürgschaftsverträge nicht die beabsichtigte rechtliche Konsequenz. Das in einem gerichtlichen Schriftsatz eingereichte Schreiben zur Anfechtung erfüllt die Anforderung, dass eine außergerichtliche Anfechtungserklärung durch denjenigen, in dessen Interesse der Anfechtungsgrund liegt (hier: der Ehefrau), nicht. Der eingereichte – nicht unterschriebene - Brief stammt von dem Anwalt der beklagten Seite, wobei sich nicht ergab, dass die Ehefrau den Anwalt bevollmächtigt oder ihm in anderer Weise ihr Einverständnis mit diesem Brief mitgeteilt hat. Die Einrede hat folglich keinen Erfolg.
Darüber hinaus hat das Ehepaar angegeben, dass der Bürgschaftsvertrag nicht rechtswirksam sei, weil dieser nicht in der Geschäftsstelle der Bank unterschrieben wurde. Diese Einrede hat keinen Erfolg, da dies nach niederländischem Recht keine Anforderung für die Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrags darstellt.
Das Gericht verwirft ebenfalls die Einrede, dass die Bürgschaftsverträge der EWG-Richtlinie 85/577 widersprechen würden. Diese Richtlinie richtet sich (kurz gesagt) auf Haustürgeschäfte, wobei unter „Verbraucher“ verstanden wird: „eine natürliche Person, die bei den von dieser Richtlinie erfassten Geschäften zu einem Zweck handelt, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann“. Dieser Begriff muss, so das Gericht, dementsprechend ausgelegt werden, dass ein Bürgschaftsvertrag, abgeschlossen von einer nicht beruflich oder gewerblich handelnden natürlichen Person, nicht in den Wirkungskreis der Richtlinie fällt, wenn eine Sicherheit für die Rückzahlung einer Schuld eines anderen, der hier beruflich oder gewerbsmäßig handelt, gestellt wird.
Obschon nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Richtlinie auch auf Bürgschaftsverträge Anwendung findet, ergibt sich aus dem Wortlaut von Artikel 1 der Richtlinie und aus dem akzessorischen Charakter der Bürgschaft, dass ausschließlich eine Bürgschaft für eine Schuld unter diese Richtlinie fällt, wenn diese Schuld aufgrund eines Haustürgeschäfts zwischen einem Händler und einem Verbraucher mit der Absicht des Erwerbs von Gütern oder Dienstleistungen entstanden ist. Da diese Richtlinie darüber hinaus nur auf den Verbraucherschutz abzielt, fällt eine Bürgschaft nur unter diese Richtlinie, wenn er sich gegenüber Zwecken verpflichtet hat, die als nicht beruflich oder gewerblich eingestuft werden. Dieser Fall, in dem die beklagte Seite sich für die Finanzierung einer Betriebshalle und einer Restschuld aus einem Verkauf des Betriebsgrundstücks verpflichtet hat, fällt nicht unter die Richtlinie.
Auch die übrigen Einreden scheitern. Die beklagte Seite wird zur Zahlung des geschuldeten Betrages an die Bank verurteilt.
Interessant wäre hier auch noch, dass eine deutsche Bank sich darauf berufen kann, mit dem besonderen Artikel 1:88 BW nicht bekannt zu sein („guter Glauben“). Diese Einrede führte schon oft zum Erfolg. Nicht zum Erfolg führt diese Einrede jedoch, wenn die Bank z.B. in der deutsch-niederländischen Grenzregion niedergelassen ist oder sich (mit einem Dutch Desk) auf den niederländischen Markt richtet.
Dr. Arjen S. Westerdijk, Advocaat Gesellschaftsrecht/Koordinator German Desk
Hendrie Aarnink, Advocaat Insolvenzrecht
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