Artikel gepostet am 29 Januar 2016 16:14
Schuster, bleib bei deinen Leisten…gilt auch bei Insolvenzanträgen
Oft geschieht es, dass ein Unternehmen aufgrund eines Insolvenzantrags eines Gläubigers für insolvent erklärt wird, weil die Vertreter dieses Unternehmens beschlossen haben, ihre Interessen selbst zu vertreten und ihnen dies aus unterschiedlichen Gründen nicht gelungen ist. Wir schildern Ihnen hier drei praxisnahe Fälle, in denen der Schuldner das Nachsehen hatte, obwohl seine schlussendliche Insolvenz mit sachverständiger (anwaltlicher) Unterstützung hätte verhindert werden können.
Beispiel 1: Zahlungsvereinbarung getroffen, aber trotzdem insolvent!
Ein Schuldner hatte einen Tag vor der mündlichen Verhandlung über den gegen ihn eingereichten Insolvenzantrag eine Vereinbarung mit dem Gerichtsvollzieher getroffen, der die Forderung im Namen des Gläubigers einziehen sollte. Anschließend hat der Schuldner am gleichen Tag noch einen erheblichen Ratenbetrag gezahlt.
Zur mündlichen Verhandlung über den gegen ihn eingereichten Antrag ist er nicht erschienen, da er in der Annahme verkehrte, aufgrund der Vereinbarung wäre alles in trockenen Tüchern.
Zur Verhandlung erschien dann aber nicht der Gerichtsvollzieher, sondern der Anwalt des Gläubigers. Dieser wusste aber scheinbar nichts von der Vereinbarung zwischen Gläubiger und Gerichtsvollzieher, denn er hat den Antrag weiter vorangetrieben. Da der Schuldner bei der Verhandlung fehlte, konnte er dem Gericht nichts über die getroffene Vereinbarung berichten. Der Schuldner wurde im Zuge eines Versäumnisurteils für insolvent erklärt.
Nach Insolvenzeröffnung wurde die bereits geleistete Zahlung vom Insolvenzverwalter angefochten, sodass der Gläubiger dem Insolvenzverwalter den erhaltenen Betrag schlussendlich zurückzahlen musste.
Erscheint ein Schuldner nicht zu einer Verhandlung, besteht noch eine Einspruchsmöglichkeit gegen das Insolvenzurteil. Der hier wiedergegebene Fall führte noch zu einer Entscheidung des Hoge Raad vom 5. Juni 2015, aber das ändert nichts daran, dass der Schuldner vielleicht erfolgreich die Frage hätte stellen können, ob die Insolvenz unbefugt herbeigeführt wurde. Dazu kam es jedoch nicht. Die Insolvenz blieb eine Tatsache.
Beispiel 2: Forderung des unterstützenden Insolvenzantrags beglichen, aber trotzdem insolvent!
In den Niederlanden kann ein Gläubiger nur dann einen erfolgreichen Insolvenzantrag stellen, wenn er mindestens noch einen weiteren Gläubiger benennen kann.
In diesem Fall hatte der antragstellende Gläubiger den anderen Gläubiger mit Vor- und Zunamen im Insolvenzantrag angegeben. Der Schuldner kann in einem solchen Fall die oft niedrigere Forderung des anderen Gläubigers begleichen, wodurch der Antragsteller den Gläubigerpluralismus nicht mehr nachweisen kann und der Insolvenzantrag vielleicht abgewiesen wird. Genau dies ist auch geschehen. Trotzdem ging etwas schief.
Der Schuldner hielt den Ausgleich der unterstützenden Forderung für eine schlaue Idee. Allerdings hat er den Ausgleich erst am Tag der mündlichen Verhandlung vorgenommen. Da die Verhandlung am Vormittag stattfinden sollte, wurde es zeitlich sehr eng. Außerdem hatte er niemandem mitgeteilt, dass eine Zahlung vorgenommen wurde.
In der Verhandlung hat der Schuldner natürlich ausgesagt, dass die im Antrag enthaltene zweite Forderung beglichen wurde. Das Gericht räumte ihm die Möglichkeit ein, seine Angaben nachzuweisen, woraufhin der Schuldner einen Auszug seines Internetbankkontos Tag präsentierte. Daraufhin telefonierte der Antragsteller mit der Partei, bei der die Zahlung hätte eingehen müssen. Diese konnte weder auf den Bankkonten noch in ihrem Computersystem einen Zahlungseingang feststellen. Der Antragsteller erklärte anschließend, dass kein Zahlungseingang stattgefunden habe, und bekräftigte seinen Antrag, woraufhin der Schuldner für insolvent erklärt wurde.
Nota bene: Als Zeitpunkt einer Zahlung gilt der Moment, in dem ein Betrag dem Konto des Empfängers gutgeschrieben wird. Ausgehend von den zum Verhandlungszeitpunkt verfügbaren Informationen hatte demnach noch keine Zahlung stattgefunden.
Später stellte sich heraus, dass der Betrag doch noch an dem Tag gutgeschrieben wurde. Der eingegangenen Betrag musste aufgrund von Artikel 23 Faillissementswet zurückgezahlt werden. Dort ist bestimmt, dass eine Insolvenz auf 0:00 Uhr am Tag der Insolvenzerklärung zurückwirkt. Der Schuldner hatte demnach ab Mitternacht die Verfügung über sein Vermögen verloren. Der Schuldner war also nicht mehr zur Zahlung befugt, weshalb die Rückzahlung stattfinden musste. Rechtsmittel schienen nicht mehr sinnvoll. Die Insolvenz des Schuldners war und blieb eine Tatsache.
Beispiel 3: Der Steuerberater macht das schon, trotzdem insolvent!
Das dritte Fallbeispiel ist ebenfalls außergewöhnlich. Ein Schuldner wurde mit einem Insolvenzantrag vom Fiskus konfrontiert. Bereits lange vor dem Antrag haben Gespräche zwischen dem Schuldner und dem Fiskus stattgefunden. Der Steuerberater des Schuldners hatte die Aufgabe übernommen, eine Vereinbarung mit dem Fiskus zu treffen. Der Schuldner vertraute seinem Steuerberater, bis er schließlich einen Tag vor der mündlichen Verhandlung mit der Nachricht konfrontiert wurde, dass es dem Steuerberater nicht gelungen war, eine Vereinbarung zu treffen. Der Schuldner war machtlos, hatte nicht genügend Mittel zum Ausgleich der Gesamtschulden und er hatte keine Zeit mehr, etwas anderes zu regeln. Einen Tag später ging er insolvent. Ob anschließend noch Schritte gegen den Steuerberater eingeleitet wurden, ist nicht bekannt.
Fazit
Die drei beschriebenen, wirklich geschehenen Fälle, hinterlassen bei Ihnen als Leser wahrscheinlich gemischte Gefühle. Hat der Insolvenzschuldner nur Pech gehabt, oder hat er sich schlichtweg blöd verhalten?
Die goldene Regel bei einem tatsächlich eingereichten Insolvenzantrag lautet:
Ein Rückgängigmachen eines einmal eröffneten Insolvenzverfahrens ist wegen der Form der Prüfung einer Berufung oder (etwas weniger) eines Einspruchs dermaßen arbeits- und kostenintensiv, dass es vernünftiger ist, sich vor gerichtlichen Behandlung eines Insolvenzantrages seiner Sache völlig sicher zu sein. Voraussetzung dafür ist die Begleitung durch einen Sachverständigen, sprich Insolvenzanwalt.
Durch: mr. Mark Loef, Insolvenzanwalt und Insolvenzverwalter